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Offene Rennen |
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Eine aussterbende Spezies |
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Nach Darwin Evolutionstheorie überlebt nur der am besten
Angepasste - oder der Stärkste. Genau wie in der Biologie herrscht in Welt des Motorsports
ein ständiger Kampf ums Überleben. Rennserien schießen aus dem Boden, andere verschwinden. Dabei wird häufig vergessen, dass es eine Welt vor der Serienvielfalt gab. In den 70er und 80er Jahren waren offene Rennen gang und gäbe.
Damals suchten die Fahrer oft selbst ihr Programm aus.
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© Patrick Holzer |
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Nicolas Bührer gewann den letzten Preis der Stadt Heilbronn |
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„In den ONS Mitteilungen fand man immer die
Werbung der Veranstalter und konnte sich ein Rennen aussuchen“, erinnert sich Joachim Bunkus. Mit seinem Triumph
nahm der Norddeutsche damals an den Flugplatzrennen in
Diepholz und Wunstorf teil. Dort traf er auf Starter aus
dem benachbarten Dänemark. So brachte Johannes Graversen immer
wieder seinen aus der STT bekannten Fiat X1/9 auf die Flugplatzkurse im Norden Deutschlands. Doch nicht nur Starter aus dem benachbarten Ausland schauten gerne herein. Etliche Größen
aus der Deutschen Rennsportmeisterschaft und der Deutschen Produktionswagenmeisterschaft nutzten die Möglichkeit, um ihre Fahrzeuge zu testen. Oder
als Hinterbänkler endlich einmal einen Gesamtsieg einzustreichen.
Vor allem in den Siebzigern und frühen Achtzigern gab es unzählige Gelegenheiten bei solchen offenen Rennen teilzunehmen. Meistens ging es um Punkte
für ADAC-Gaumeisterschaften oder Sportabzeichen des ADAC, DMV und AvD. Der Großteil nahm jedoch auch einfach nur zum Spaß teil. Doch wandelte sich die
Motorsportszene. Immer mehr Rennserien organisierten sich und banden Fahrer und Teams. So ersetzten Rennserien mit festen Startern nach und nach die
offenen Rennen. Wurden in Wunstorf oder Diepholz an einem Wochenende meist drei, vier oder sogar fünf solcher Rennen ausgetragen, schrumpfte deren
Zahl bis Anfang der 90er Jahre auf nur noch eines zusammen. |
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ONS Mitteilungen |
Veranstalterwerbung in den ONS Mitteilungen |
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Mitte der 90er Jahre verschwanden die Flugplatzrennen endgültig von der Motorsportlandkarte. Dennoch überlebten einige der offenen Rennen den Sprung ins neue Jahrtausend. Vor allem auf dem Hockenheimring hatten diese eine lange Tradition. So veranstaltete der Mannheim-Heidelberg-Sports-Touring-Club, kurz MHSTC, in den ersten Frühlingsmonaten seinen Saisonauftakt auf dem kleinen Kurs. Bei den „100 Meilen von Hockenheim“ wurden die Klassen nach Leistungsgewicht sortiert und so kämpften Porsche und Golf gegeneinander. Nach 33 Ausgaben war 2002 schließlich Schluss. Stefan Rehkopf hatte im Donkervoort D8 den letzten Sieg geholt. Ebenfalls vom MHSTC wurde traditionell das Saisonfinale auf dem Hockenheimring ausgerichtet. Das Glühweinrennen, wie es unter den Aktiven und Zuschauern hieß, fand meist Mitte oder Ende November statt. Zur 33. Auflage sollte es schließlich nicht mehr kommen. |
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Patrick Holzer |
Willi Herold fuhr 2001 beim Preis der Stadt Heilbronn zum Sieg |
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Zwar nicht ganz so alt, aber dafür nicht weniger beliebt war der „Preis der Stadt Heilbronn“. 1985 feierte der MC Heilbronn in Hockenheim Premiere. 19 Jahre lang hatte der Club zuvor ein Bergrennen zwischen Gronau und Prevost ausgerichtet, ehe aufgrund politischer Auflagen
diese einstellt werden mussten. Die Veranstaltung wurde in ein Rundstreckenrennen umgewandelt. So standen in sechs Starterfeldern, die zwar nicht den Erwartungen des Clubs entsprachen, Tourenwagen und Formelfahrzeuge verschiedener Klassen und Gruppen am Start. Rolf Rummel siegte im BMW 320 im Rennen der Gruppe H und A. Zweiter wurde übrigens Claus Dupré, der ein Jahr später als erster Meister der Spezial Tourenwagen Trophy eingehen sollte. Als Dritter gelang Roland Asch im 1600er Gruppe A Toyota Corolla der Sprung aufs Treppchen.
Einer der Höhepunkte in der Geschichte war sicherlich der Auftritt des niederländischen Marcos-Werksteams bei der elften Auflage im Jahr 1997. Die zwei Boliden aus der internationalen GT-Serie kamen damals direkt aus dem chinesischen Zuhai nach Hockenheim. Hermann Buurman wurde seiner Favoritenrolle gerecht und siegte vor Nicolas Bührer im BMW M1. Gab es anfangs noch mehrere Felder für Tourenwagen und Formelfahrzeuge, so schrumpften diese nach und nach zusammen. 2001 wurden die Tourenwagen zu einem Feld zusammengefasst, das immerhin noch über 30 Wagen stark war. Die Formelfahrzeuge profitierten vom Zusammenschluss mit dem UHSport-Formel-Cup, so dass auch hier ein ansehnliches Feld zustande kam. Ein Jahr später sollte am 2. November 2002 die letzte Ausgabe stattfinden. Zwar war es den Veranstaltern gelungen ein respektables Tourenwagenfeld zustanden zu bringen, doch reichten die Starterzahlen kaum aus die hohen Kosten zu decken. 2003 zog der Motorsportclub Heilbronn die Reißleine und verkündete im Oktober das Aus der Veranstaltung. Nach 17 Jahren war damit Schluss für den „Preis der Stadt Heilbronn“. Der Schweizer Nicolas Bührer trug sich im BMW M1 als letzter in die lange Liste der Sieger ein. Mit etwas Glück hatte er den Vorjahressieger, Audi-Ass Willi Herold, bezwungen. |
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Patrick Holzer |
Bei strömenden Regen fuhr Nicolas Bührer zum Gesamtsieg beim Preis der Stadt Waghäusel |
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Einen ähnlichen Charakter hatte für die Schweizer Motorsportler lange die Rennen des FRC Schweiz im Oktober des Jahres. Das Int. FRC 3-Stunden Rennen lockte Jahr für Jahr nicht nur Eidgenossen, sondern auch etliche deutsche Motorsportler nach Hockenheim. Darunter mischten sich immer wieder prominente Namen und Fahrzeuge. Bis Mitte der 90er Jahre bestand die Veranstaltung aus drei bis vier Rennen über die drei Stunden Distanz. 1993 meldete der FRC noch ein Rekordfeld von 60 Fahrzeugen für das Rennen der Spezial- und Sportwagen. Ein Jahr später musste das Programm wegen ausbleibender Nennungen auf einen Tag zusammengestrichen werden.
Ausgerechnet die 30. Jubiläumsveranstaltung litt unter Startermangel. „Wenn wir bei zwei Tagen bleiben, droht uns ein finanzielles Desaster“, begründeten damals die FRC-Verantwortlichen den Schritt. So finden 1994 nur noch zwei 3-Stunden-Rennen statt, die Ernst Palmberger (Porsche 911 RSR)
als Solisit und das Trio Peter Iltgen/Hansjörg Appenzeller/Fernando Rainoldi auf einem weiteren Porsche
gewannen. Zehn Jahre später kam für die Traditionsveranstaltung ebenfalls das Aus. 2003 war das Feld stark zusammengeschrumpft.
Nur noch 17 Fahrzeuge standen am Start. Davon absolvierte ein Teil sogar nur ein 2-Stunden-Rennen, das in das Feld integriert worden war. Das Fahrertrio Ferdinand Piech, Beat Ganz und Albert Kierdorf entschied im Porsche 996 GT3 RS die letzte Ausgabe der 3-Stunden für sich. |
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Patrick Holzer |
Albert Kierdorf gewann zwei Jahre später das letzte 3-Stunden-Rennen |
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Ganz sind die Rennen ohne Meisterschaftsstatus nicht verschwunden. Immer wieder gibt es kleinere Versuche Fahrer und Teams eine Gelegenheit zu bieten ohne Wettbewerbsdruck ihre Fahrzeuge auszuführen. Der Motorsport-Club Stuttgart bot so vor drei Jahren ein Rennen für Formelfahrzeuge an – leider mit mäßigem Erfolg. Bei den Porsche Club Days, ebenfalls vom MCS veranstaltet, konnten interessierte Porschefahrer an zwei Sprintrennen teilnehmen. So richtig gelang es nicht. Mit zehn Fahrzeugen im Premierenjahr 2009 und neun in der Folgesaison war der Porsche Sprint nicht wirklich stark besetzt. Dennoch ist es schön zu sehen, dass die Tradition der offenen Rennen nicht ganz ausgestorben ist. |
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Patrick Holzer |
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Artikel vom 04.03.2011
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